Der Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen ab 2023

Privatpersonen und viele andere Betreiber können sich durch den Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer über eine Kostenminderung um 19 % bei ihren Investitionen freuen.

Der Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen 2023
Die Rechtslage. Die Probleme. Die Unklarheiten.
Eine praxisorientierte Aufarbeitung

Der Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2022 viele zukünftige Betreiber von Photovoltaikanlagen erfreut. Privatpersonen und andere Betreiber können sich durch den Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer über eine Kostenminderung um 19 % bei ihren Investitionen freuen.

Grundlagen – Der Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen

Für die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage ermäßigt sich der Steuersatz nach § 12 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) auf 0 %,

wenn die PV-Anlage

  • auf oder in der Nähe von Privatwohnungen

> oder

  • auf öffentlichen Gebäuden

> oder

  • auf Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten genutzt wird

installiert wird.

Der Installationsort (inkl. der Nutzungsart des Gebäudes) ist somit von entscheidender Bedeutung.
Es ist klar erkennbar, dass sich diese staatliche „Förderung“ insbesondere an Privatpersonen, die öffentliche Hand und soziale Träger richtet. Vor allem ist die Bedeutung für die Privatpersonen immens, da bereits 2022 über 60 % der in 2022 vorhandenen PV-Anlagen in Deutschland (2,2 Millionen Anlagen) in privater Hand waren und sich dieser Anteil zukünftig weiter erhöhen wird.

Die „Förderung“ kommt hier unmittelbar kostenmindernd an, da diese Gruppen grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

Dagegen konnten und können die gewerblichen Betriebe die Vorsteuer bei der Lieferung von PV-Anlagen kostenmindernd geltend machen und somit grundsätzlich zum Nettopreis investieren.

In den Nullsteuersatz eingeschlossen sind neben den Solarmodulen auch der Speicher sowie die wesentlichen Komponenten wie

  •          Wechselrichter
  •          Dachhalterung
  •          Energiemanagement-System
  •          Solarkabel
  •          Einspeisesteckdose
  •          Funk-Rundsteuerungsempfänger
  •          Backup-Box
  •          Einrichtungen für Notstrom

Ebenso unterliegen die Leistungen für die Installation der PV-Anlage dem Umsatzsteuersatz von 0 %.

Vereinfachungsregelung für Anlagen bis 30 kWp

Der Gesetzgeber hat löblicherweise im Gesetz eine Vereinfachungsregelung ergänzt. Bei Anlagen mit einer Bruttoleistung bis 30 kWp (Kilowatt-Peak) entfällt die Prüfung, ob der Installationsort die oben beschriebenen Anforderungen erfüllt.

Somit erfüllen durch die Vereinfachungsregelung letztlich alle Anlagen bis 30 kWp die Voraussetzungen für die Anwendung des Nullsteuersatzes.

Daher unterliegen unter anderem auch Anlagen auf Büro- und Betriebsgebäuden sowie in größerer Entfernung zu Gebäuden der Nullsteuersatz-Regelung. Hier profitieren also insbesondere auch die gewerblichen Betriebe und Unternehmen, da diese Regelung für sie zumindest eine vereinfachte buchhalterische und umsatzsteuerliche Handhabung beim Kauf und Betrieb darstellt.

Das Gesetz sieht den Ansatz des Nullsteuersatzes für Anlagen bis 30 kWp für verpflichtend an, es gibt also kein Wahlrecht.

Entgegen einiger Veröffentlichungen kann festgehalten werden, dass der Installationsort bei Anlagen bis 30 kWp keinerlei Rolle spielt.

Das große (Miss)Verständnis – Nullsteuersatz auch für Anlagen > 30 kWp

In vielen aktuellen Veröffentlichungen wird das Thema des Nullsteuersatzes nur bis zur Bruttoleistung von 30 kWp abgehandelt. Es wird teilweise suggeriert, dass alle Anlagen darüber wieder dem Steuersatz von 19 % unterliegen dürften oder dass der Installationsort bei Anlagen bis 30 kWp eine Rolle spielt. Weit gefehlt. Der Nullsteuersatz findet auch bei Anlagen über 30 kWp Anwendung, jedoch muss hier nun – wie oben beschrieben – die im Gesetz vorgesehene Prüfung des Installationsortes vorgenommen werden.

Die 3 Möglichkeiten für Anlagen > 30 kWp

Zur Anwendung des Nullsteuersatzes muss die PV-Anlage eine der folgenden Voraussetzungen (Installationsort) erfüllen:

Möglichkeit 1:
Die Anlage wird auf oder in der Nähe von Privatwohnungen oder Wohnungen installiert. Hierunter dürfte der Großteil der Zielgruppe fallen. Sämtliche Eigentümer und Mieter von Häusern oder Wohnungen kommen so auch bei größeren Anlagen in den Genuss des Nullsteuersatzes.

Möglichkeit 2:
Die Anlage wird auf öffentlichen Gebäuden installiert. Da die Körperschaften der öffentlichen Hand grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, stellt der Nullsteuersatz auch für sie eine Kostenminderung von 19 % dar. Hier hat sich der Staat also auch selber gefördert.

Das Öffentliche Gebäude – Der undefinierte Bau

Der Begriff des öffentlichen Gebäudes ist weder im Umsatzsteuergesetz noch in den dazugehörigen Richtlinien und Erlassen definiert. Aktuell gehe ich aber davon aus, dass hier möglicherweise auf die Definition des öffentlichen Gebäudes in der Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung – EnSikuMaV) aus 2022 Bezug genommen wird. Demnach wird in § 2 Nr. 3 EnSikuMaV ein öffentliches Gebäude wie folgt definiert:

Ein Gebäude im Eigentum oder in der Nutzung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts; dabei gilt ein Gebäude im Eigentum oder in der Nutzung einer juristischen Person des Privatrechts oder rechtsfähigen Personengesellschaft als öffentlich, soweit die Person öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge erbringt und unter der finanziellen oder politischen Kontrolle von einer Gebietskörperschaft steht.

Demnach sollten auf Basis dieser Definition alle Gebäude der Städte, Kommunen, Länder, des Bundes und der Körperschaften des öffentlichen Rechts diese Anforderung erfüllen. Somit unterliegen dann zum Beispiel auch größere PV-Anlagen auf Schulen und Verwaltungsgebäuden, unabhängig von der Bruttoleistung, immer dem Nullsteuersatz.

Möglichkeit 3:
Die Anlage wird auf anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten genutzt werden, installiert. Dem Gemeinwohl dienend – diese Formulierung klingt wunderbar, aber was verbirgt sich dahinter? Wenn man sich das erarbeiten möchte, muss man sich – wie so häufig – weiterer Richtlinien oder Erlasse bedienen.

Für die Gebäude, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, gibt es im Umsatzsteueranwendungserlass im Abschnitt 12.18 (Nullsteuersatz für bestimmte Photovoltaikanlagen) einen Hinweis auf die begünstigten Nutzungen der Gebäude, in dem auf bestimmte Tätigkeiten im Umsatzsteuergesetz verwiesen wird.

Dazu zählen insbesondere:

      • Heilbehandlungen
      • Krankenhausbehandlungen
      • Tätigkeiten der Sozialversicherung
      • Medizinische Dienste
      • Betreuung und Pflege hilfsbedürftiger Personen
      • Sozialfürsorge
      • Theater, Orchester, Museen, zoologische Gärten, Archive, Büchereien
      • Schul- und Bildungszweck
      • Erziehung von Kindern und Jugendlichen
      • Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen

Krankenhäuser, Pflegeheime, Kirchen und Schulen erfüllen somit beispielsweise diese Anforderung.

Die Aufzählung ist aber nicht abschließend und es soll und muss in jedem Fall die Begünstigung durch den Lieferanten und den Betreiber der Anlage (Auftraggeber) selbst geprüft und bestätigt werden.

die I(nterne)TS Photovoltaikanlage

Vorhersehbare Probleme bei der Umsetzung

  1. Der Lieferant als Steuerexperte?
  2. Risiken bei fehlerhaftem Ausweis
  3. Der Auftrag
  4. Abrechnung mit verschiedenen Steuersätzen
  5. Umsatzsteuer ohne Kostenbelastung
  6. Das Novum im deutschen Umsatzsteuerrecht
  7. Der kleine Ratgeber

Der Lieferant als Steuerexperte?

Grundsätzlich ist der der Lieferant der PV-Anlage als Rechnungsaussteller für die richtige Anwendung des Nullsteuersatzes zuständig und „haftet“ dafür originär. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Unternehmer die Prüfung und richtige Einordnung der Voraussetzungen des Nullsteuersatzes – auch bei Einschaltung eines Steuerberaters – nur zusammen mit dem Betreiber der Anlage (Bauherr, Auftraggeber) vornehmen kann. Denn die Nutzung kann meistens nur der Eigentümer, Mieter oder Inhaber der Gebäude oder Räume richtig einordnen.

Besser von Anfang an alles richtig machen – Die Risiken bei fehlerhaftem Ausweis

Den Beteiligten sollte unbedingt klar sein, dass eine Fehleinschätzung bezüglich der Anwendung des Nullsteuersatzes für beide Seiten sehr nachteilige und aufwändige Folgen haben kann. Sollte im Rahmen eine Finanzamtsüberprüfung (Betriebsprüfung, Nachfragen bei Steueranmeldungen) festgestellt werden, dass fehlerhafterweise ein Nullsteuersatz (statt 19 % USt) ausgewiesen wurde, so schuldet der Lieferant dann trotzdem 19 % Umsatzsteuer an das Finanzamt und wird diese nach der Prüfungsfeststellung abführen müssen. Er wird also die Rechnung korrigieren und diese dem Empfänger zustellen. Der Empfänger dürfte dann auch grundsätzlich an den Lieferanten nachzahlen müssen und wiederum seine Steuermeldungen korrigieren. Ein langwieriger Vorgang mit finanziellen Risiken und buchhalterischer Mehrarbeit.

In diesem Korrekturprozess stecken viele steuerliche und finanzielle Risiken, vor allem wenn sich der Prozess über längere Zeiträume erstreckt. Verjährungen, Insolvenzen und viele andere Risiken sind hier möglich. Also besser alles von Anfang an richtig machen.

Der Auftrag – besser eine klare Abgrenzung

Sofern der Auftrag zur Lieferung/Installation der Anlage einzeln erteilt wird, ergeben sich kaum Probleme.

Sollte die Lieferung und Installation jedoch im Rahmen eines größeren Auftragspakets mit anderen Liefer- und Leistungsbestandteilen erfolgen, kann es möglicherweise zu Problemen bei der umsatzsteuerrechtlichen Abgrenzung zwischen Photovoltaikanlage und den anderen Leistungen kommen. In Folge könnte dann bei einer Vermischung der Ansatz des Nullsteuersatzes in Frage gestellt werden.

Daher ist es sicherlich zu empfehlen, dass der Auftrag für die Photovoltaikanlage separat angefragt, beauftragt und abgerechnet wird. Zumindest aber als klar abgegrenztes eigenes Los im Rahmen eines größeren Auftrags.

Die Abrechnung mit verschiedenen Steuersätzen– aus Erfahrung problematisch

Bereits die Senkung und Anhebung der Umsatzsteuersätze im Zeitraum 2020/21 hat gezeigt, zu welch großen Problemen es dann bei der Abrechnung kommen kann. Bei unseren Projekten kam es fast überall zu Problemen mit dem richtigen Ansatz der Steuersätze in der Rechnung. Lag es einerseits oft an fehlendem Wissen oder Fehlinterpretationen der Steuerrechtslage, so kam es auch im formellen Ausweis in den Rechnungen zu erheblichen Problemen und Fehlern, da die EDV-Programme die verschiedenen Steuersätze nicht richtig ansetzen und ausweisen konnten. Insbesondere im Handwerk werden häufig spezifische Softwareprodukte von kleineren bis mittelgroßen Herstellern eingesetzt, die im Falle kurzfristiger, steuerrechtlicher Änderungen oft nicht schnell genug und rechtssicher angepasst werden können. Hier bestehen dann häufig steuerrechtliche Risiken in bedeutender finanzieller Höhe. Manuelle Korrekturen mittels Tabellenkalkulation oder anderer Hilfsmittel sind dann an der Tagesordnung.

Sofern die Lieferung der PV-Anlage als Einzelauftrag erfolgt, ist die Prüfung und der Ausweis der Umsatzsteuer wahrscheinlich noch gut möglich. Bei größeren Aufträgen mit anderen Leistungen im Gesamtumfang, wird es schon schwieriger, diesen neuen Steuersatz richtig einzubauen und auszuweisen. Insbesondere steigt das Risiko, wenn Bestellungen und Rechnungen bereits im Jahr 2022 mit 19 % USt geschrieben wurden und der Steuersatz nun im Rahmen weiterer Rechnungen oder der Schlussrechnung im Jahr 2023 korrigiert werden muss. Es ist zu befürchten, dass hier erneut mit abrechnungstechnischen Stilblüten zu rechnen ist.

Also, bereits von Anfang an sollte mit dem Lieferanten abgestimmt werden, dass die Rechnungsstellung klar und richtig erfolgt.

Umsatzsteuer ohne Kostenbelastung – 19 % USt für gewerbliche Großanlagen

Schlussendlich ist festzuhalten, dass bei Anlagen über 30 kWp, die nicht den begünstigten Anforderungen des Installationsortes entsprechen, weiterhin 19 % USt auszuweisen sind. Hier dürfte es sich im Wesentlichen um gewerbliche Betreiber auf Bürogebäuden, Industriehallen/-anlagen und auf Gewerbeflächen handeln. Hier sind dann auch weiterhin Umsatzsteuer(vor)anmeldungen vorzunehmen. Durch die die Vorsteuererstattung führt es aber bei dieser Gruppe fast nie zu einer finanziellen Belastung der 19 % USt.

Epilog – Das Novum im deutschen Umsatzsteuerrecht

Relativ „unbemerkt“ hat sich damit ein großes Novum im deutschen Steuerrecht ergeben: Es gibt erstmalig einen dritten Steuersatz. Hier ist festzuhalten, dass dies für die buchhalterische Umsetzung von wichtiger Bedeutung ist, denn die Lieferung der PV-Anlage ist nicht von der Umsatzsteuer befreit oder ein nicht steuerbarer Umsatz. Es ist ein Umsatz, der mit einem Steuersatz von 0 % belegt ist. Das klingt und liest sich erst einmal unsinnig, hat jedoch unter anderem die Folge, dass diese Vorgänge bei buchhaltungspflichtigen Personen oder Gesellschaften buchhalterisch mit dem Steuersatz von 0 % zu erfassen und in der Umsatzsteuer(vor)anmeldung anzugeben sind, wenn auch mit 0 Euro.

Der kleine Ratgeber

Grundlagenempfehlungen

Der Betreiber sollte den Ansatz des Nullsteuersatzes durch die Einordnung seines Installationsorts und der Nutzung im Eigeninteresse vorab klären.

Angebot und Auftrag

Abstimmung mit dem Lieferanten über die gleichlautende Einordnung des Nullsteuersatzes. Klärung bei abweichender Meinung vor Auftragserteilung.

Separates Angebot und Auftrag über die Lieferung der PV-Anlage bzw. aber zumindest die klare Einordnung und Ausweis der PV-Anlage in einem separaten, abgegrenzten Los des Auftrags im Abrechnungssystem sicherstellen.

Abrechnung

Prüfung des richtigen Ausweises von Steuersatz und Beträgen.

 

Ich hoffe, der Blog-Artikel hat ein wenig mehr Licht in die Thematik gebracht, für mögliche Probleme sensibilisiert und mögliche Unklarheiten in der aktuellen Diskussion beseitigt.

Wie sind Ihre Erfahrungen? Haben Sie Anmerkungen oder Ergänzungen?

Ich freue mich auf Feedback und einen persönlichen Austausch.

 

Disclaimer
Der Artikel beruht auf der heutigen Sach- und Rechtslage sowie den aktuell verfügbaren, offiziellen Kommentierungen und Auslegungen. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige Beschreibung aller mit dem Thema verbundenen Sachverhalte und Details, sondern konzentriert sich auf eine praxisorientierte Bewertung der Kernthemen. Insbesondere wurden Sonderfälle wie die Erweiterung von Bestandsanlagen, das Thema Leasing und auch einkommens-/gewerbesteuerrechtlichen Aspekte außen vorgelassen.

 

 

Über den Autor

Ekkehard Scholz

Dipl.-Kfm. Ekkehard Scholz, Gesellschafter und Geschäftsführer der ITS Ingenieur-Technik Scholz GmbH, ist für die Bereiche Vertragsabwicklung, Projektcontrolling und 
Unternehmensentwicklung zuständig.